Persönliche Entscheidung

Gerade bereite ich mir ein Abendessen. Und verwende, was mir in den Sinn kommt, und natürlich zur Hand. Das ist für mich Freiheit in ihrer kulinarischen Blüte. Der Blick in den Kühlschrank und die Speisekammer als Basis der genussorientierten Kreativität. Egal, ob mit Fleisch oder ohne. Vorweg, ich finde vegan wunderbar! Die Überlegung, welche Aromenvielfalt in Gemüsen, Kräutern, Gewürzen, Früchten oder Getreiden – um nur einige der veganen Möglichkeiten zu nennen – liegt, begeistert mich und macht Lust zu kochen.
So weit, so entspannt. Allerdings geriet ich vor Kurzem in einen Disput, in dem es leider mal wieder um Dogmen ging. Thema war nicht die durchaus nachvollziehbare persönliche Entscheidung, keinerlei tierische Produkte zu verwenden. Es ging darum, wie verwerflich es wäre, eben diese überhaupt zu verarbeiten, beziehungsweise zu konsumieren. Und genau an dieser Stelle fühle ich mich in meiner ureigenen Freiheit des (Koch-)Lebens eingeschränkt.
Die Menschheit ist nicht bis ins 21. Jahrhundert gelangt nur mit Kräutern und Gemüsen. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass einem bei all den Bildern von Massentierhaltung, Schreddern von Küken oder kilometerlangen Gängen voller abgepackter Fleischmassen der Appetit auf ein schönes Steak vergeht. Es käme mir nie in den Sinn, täglich Fleischberge auf den Abendbrottisch zu schaufeln. Dafür wäre mir die Geschmacksvariation viel zu gering. Ich brauche Einflüsse aus den verschiedensten Kulturen, egal ob asiatisch, kreolisch, italienisch, französisch, indisch, skandinavisch oder einfach schwäbisch …
Bei allem zählt die Freiheit, zu entscheiden, ob ich es mag oder nicht. Wenn ich dann allerdings in die Ecke des ernährungstechnischen Sünders gestellt werde, weil ich tierische Produkte zu mir nehme, merke ich, wie sich bei mir, um es gelinde auszudrücken, Unbehagen breitmacht. Gleichzeitig entdecke ich Produkte, die sich veganer Leberkäse, vegane Salami oder auch – an Unsinn nicht mehr zu übertreffen – vegane Hühnerschenkel, tatsächlich mit einem künstlichen Knochen ausgestattet, nennen, und ich frage mich … warum? Dann muss ich mir anhören, dass dies notwendig sei, da die Menschen auf diese Art der Ernährung konditioniert wären, und der innere Drang nur durch diese »Täuschung« zu bezwingen sei. Spätes-
tens an dieser Stelle wähne ich mich im falschen Film.
Stellen Sie sich vor, ein Winzer von der Mosel, wo es klimatisch bedingt praktisch nur Weißwein gibt, würde sich überlegen, seine Weine auch im, sagen wir mal, Bordeaux, einer der bekanntesten Rotweingegenden der Welt, anbieten zu wollen, weil er der Überzeugung ist, Weißwein wäre der einzig wahre Wein, der ultimative Genuss. Nun beschließt er, seine Weine mit Lebensmittelfarbe rot einzufärben, weil die Konsumenten im Bordeaux darauf fixiert sind, dass Wein nun mal rot sein müsse. Welch absurder Gedanke.
Ich finde, Verfechter der veganen Ernährung (oder jeder anderen Philosophie) sollten durchaus das Selbstbewusstsein haben, ihre Überzeugung ohne »Trojanische Pferde« vertreten und verbreiten zu können. Es freut mich überaus, wenn ich Alternativen zu tierischen Erzeugnissen finde, die es mir möglich machen, das ökologische Gleichgewicht unserer Welt zu erhalten. Oder eben, oder genau deshalb, weil sie herrlich anders, erfrischend neu oder einfach nur wunderbar schmecken. Ein Strudel aus Nüssen, getrockneten Tomaten und Kartoffeln kann jeden Rinderbraten ohne Probleme ersetzen. Ich koche oft vegan, allerdings völlig gedankenlos, will heißen unabsichtlich. Nur weil es schmeckt, Spaß macht und mich und meine Mitesser glücklich macht. Ich wehre mich gegen missionarischen Eifer und die Verurteilung anderer Sichtweisen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen uneingeschränkten Genuss, bei Ihrem nächsten Schweinebraten, Ihrem nächsten schmackhaften Gemüseauflauf oder einfach nur dem nächsten (nicht eingefärbten) Glas Wein …